Zucker und Zimt: Weihnachtsgeschichte des Anolino di Parma

Das Aushängeschild der Parma-Küche - von "Al Dsèvod“ bis zum Anolino

von Andrea Adorni - ilParmense.net

In den Händen der Hausfrauen entsteht der Anolino, der anschließend in einer Brühe vom Rind und Kapphahn und gekocht wird. So wird aus ihm eine wunderbare Sache, gut und gesund, und man spürt förmlich die Kraft der Küche von Parma.
Was sicher nicht fehlt in dieser lokalen Küche ist der Geschmack. Zwischen Salami, Käse und „Torta fritta“ (herzhaften chmalzgebäckstücken), Nudeln, Braten und Süßigkeiten könnten Ärzte den Traditionsgerichten mangelnde Gesundheit vorwerfen, aber sicher nicht zu wenig Geschmacksvarianten. Seit mehr als 400 Jahren gibt es das Maskottchen der Stadt, den Dsèvod (der „Geschmacklose“, im Dialekt von Parma), der für die kulinarische Tradition der herzoglichen Stadt steht. Es ist paradox, dass der Darstellung der Gourmet-Hauptstadt, in der Essen und Gastronomie als Kult zu betrachten sind, die Fadheit als Maskottchen dient. Der Dsèvod wird eine würdige Darstellung der Küche von Parma zur Aufgabe und mit einem geschickten Wortspiel und den Geschmäckern der Stadt ergeben sich die typischen Merkmale des Charakters: süß, bitter, würzig, salzig und geschmacklos sind Teile davon, er ist nicht allzu kultiviert, schlau, aber auch witzig, ironisch und mit einem scharfen Humor ausgestattet. So ist er in der Lage ist, sich den Schwierigkeiten des Lebens und der Gesellschaft zu stellen. In der Nachkriegszeit fand dieser Botschafter von Parma bei der Famija Pramzana, einer Art Heimatkundeverein, seine Heimat und ein neues Aussehen: ein Kleid in den Farben der Stadt (blau und gelb) und einem mit Veilchen geschmückten Korb. Aber vor allem hat er als höchste Ehre einen Hut auf den Kopf bekommen, der die genaue Nachahmung des Anolino darstellt, dem stronomischen Aushängeschild des lokalen Küche.
Aber was sind die Anolini? Es ist ein Gericht, das aus frischen Eiernudeln mit einer Füllung von geriebenem Brot, Muskatnuss, Parmesan, Eier, Sauce von Schmorbraten und Rotwein und je nach Geschmack auch Rindergehacktem besteht. In der Tradition von Parma hat dieses Gericht einen fundamentalen Wert, denn es bildet den Hauptgang der Weihnachtszeit. Und tatsächlich weiß jeder Einwohner von Parma, dass es ohne Anolini kein Weihnachten gibt. Es ist nicht nu eine anachronistische Tendenz, uralte Rituale zu verfolgen, sondern es ist das bewusste Ausleben einer Tradition und stellt auch einen Tag einer Gemeinschaft dar, der über die Familie hinausgeht und das gesamte Stadt-und Provinzpanorama umfasst. Parma und die Provinz sind in der Tat durch diese gefüllten Nudeln, deren Namen man mit “Hut" übersetzen könnte, vereint. Serviert werden sie in einer Brühe von Rind und Kapaun, dem Kapphuhn; die „Schwimmer" werden sie dann schmerzhaft von den Parmigiani genannt.

Dazu kommen nach altem Rezept etwas geriebener Parmesankäse, 180g Provatura (ein Büffel-Frischkäse, nicht zu salzig), 240g Zucker, 30g Zimtpulver, 20g Pfeffer, 20g Nelken-Muskatnuss-Mischung, 180g Rosinen und 300g geschnittener Edelwurz (Alant, heute nur noch selten verwendet). Die Spur dieses Gerichts verliert sich jedoch im Laufe der Geschichte und anders als man denken könnte, ist der Ursprung der Anolini nicht „parmigiano“. Der Begriff "Anolino" taucht erstmals in einem Text der Römer von 1500 auf. Ein berühmter Koch der Zeit, Bartolomeo Scappi, erhob dieses Produkt zur Ehre und servierte es auf den Tischen der Könige und Päpste. Das erfährt man in seinem Kochtext „Oper" - einem Klassiker seiner Zeit, in dem er Tricks und Geheimnisse seiner Rezepte teilt, die auf viel Erfahrung in der Küche basieren. Über die Anolini schreibt er wörtlich: „Es sind Tortelletti mit einer Füllung aus Schweinebauch und allerlei anderem“. Und weiter zur Herstellung: „Man nehme vier Schweinebäuche, frisch und koche sie gut durch, nehme sie aus der Brühe und schlage sie während des Abkühlen regelmäßig mit einem Messer“.
Was aber erstaunt und überrascht, ist die Zugabe von Aromen, die sehr weit von denen entfernt sind, die für die Zubereitung von Parmas Anolini verwendet werden: Zucker, Zimt, Nelken und Rosinen. Im Jahre 1659 kommt das Haus der Farnesen nach Parma und mit ihnen kommen auch verschiedene Rezepte der römischen Tradition, darunter die Anolini: Es ist der Koch des Hofes Carlo Nascia, der bei einem Frühlingsfest diese Vorbereitung vorstellt. Es ist auch das erste Mal, dass geröstetes Brot und Fleischbrühe verwendet werden, wie es heute üblich ist. Die Füllung hält aber an Zutaten fest, die nicht zur zeitgenössischen Tradition gehören: Kapphuhnfleisch, Nelken und Zimt. In anderthalb Jahrhunderten wurde das Rezept der Anolini grundlegend geändert, der Zucker wurde nicht mehr verwendet, aber die Füllung war noch mit vielen Aromen der Renaissance-Zeit gewürzt. Das neue Rezept wurde leicht und raffiniert, ohne Schweinefleisch,
dafür mit verschiedenen Gewürzen und einem Nudelteig mit einer bestimmten Menge Eier. Im Laufe der Jahrhunderte veränderte sich allerdings die Zusammensetzung der Aromen, wie sie noch zur Renaissance-zeit üblich war. Zum Beispiel waren einige Gewürze teuer, weil sie von exotischen Orten importiert werden mussten. Was aber mehr an der kulinarischen Tradition Parma änderte, war die französische Küche, von der auch heute noch ein durchaus bemerkenswert Echo geblieben ist. Von diesem Moment an wurde die Herstellung der Anolini weiter modifiziert und zusammen mit den lokalen Varianten und Traditionen kam zur aktuellen Version. Interessant ist außerdem die Herkunft des Wortes "Anolino", die auf einen römischen Ursprung zurückzuführen ist. Die Theorie, die im wissenschaftlichen Bereich am verbreitetsten ist, kommt von Giovanni Petrolini, der die Etymologie des Wortes auf den Diminutiv (die Verniedlichungsform) des
lateinischen Wortes „agnus“ (Lamm) zurückführte: Das heißt „Agnolinus“. Als Beleg schreibt er in einem Artikel: "Dies wird durch die Tatsache erklärt, dass diese Art von Eiernudeln ursprünglich mit einer Füllung von Lammfleisch gefüllt war."

 

Übersetzt von Katharina Lübbers

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