Pferdefieber

von Pier Paolo Polimeno

Das erste Mal, dass ich von der pesto al cavallo hörte, dachte ich, es handele sich um eine Neuauslegung der klassischen ligurischen Basilikum-Pesto, die gern statt Sauce zu Nudeln gegessen wird. Ich irrte mich. Wenn man in Parma von Pesto spricht, bezieht man sich dabei einzig und allein auf gehacktes oder durch den Fleischwolf gedrehtes Pferdefleisch – roh zu verzehren mit Salz, Öl, Pfeffer und eventuell ein bisschen Zitrone.

Das „caval pist“, wie man im parmesanischen Dialekt sagt, hat sich in der Kultur der Stadt seit dem Jahr 1881 verwurzelt, als Enrico Orlandelli Parmas erste Fleischerei in der Via Farnese eröffnete.

Diese wurde bald berühmt, da die Skulptur eines Pferdekopfes draußen über der Tür auf die Straße ragte. Für unerfahrene Augen ist die pesto al cavallo leicht mit einem schlichten Tartar verwechseln. Und doch wurde dieses Gericht in kurzer Zeit ein Must in der Tradition von Parma – neben der torta fritta (frittierten Teigtüten), die üblicherweise mit Wurstwaren wie Parmaschinken oder mit Käse gegessen wird. Sie wurde sogar in die Spezialitätenliste der Region Emilia-Romagna, zu der Parma gehört, aufgenommen. Üblicherweise wird sie roh gegessen, aber Pferdefleisch kann auf verschiedenste Weisen angerichtet werden. In Form von Stakes oder Fleischstreifen kann es gekocht verzehrt werden. Einige Köche verwenden es verkocht als Füllung für Anolini (eine gefüllte Nudelsorte ähnlich den Tortellini). Andere machen daraus Frikadellen oder Fleischklößchen, gewürzt mit Petersilie. Wer gewürztes Pferdefleisch liebt, der kann sich einer Version davon mit Knoblauch, Petersilie und Gewürzen erfreuen. Eine bemerkenswertes Rezept ist sicherlich auch „la Vecchia“, oder „vècia“.

Ihre Zubereitung ist nicht besonders schwierig, aber der Geschmack der vecchia berichtet von der Wärme und der Unverfälschtheit häuslicher Herdfeuer aus vergangenen Zeiten. Es handelt sich um ein Gemisch aus gehackten Zwiebeln, Knoblauch, Sellerie und Petersilie, dem Paprika, Tomaten und Brühe hinzugefügt werden, bei langer Kochzeit auf niedriger Flamme schonend gekocht. Nach und nach werden das Pferdefleisch und Kartoffeln hinzugefügt.

„Mein Königreich für ein Pferd!“ würde Shakespeare sagen – und wer könnte ihm Unrecht geben? Für Parma ist Pferdefleisch ein unabdingbarer Stützpfeiler, insbesondere, da die Stadt hinsichtlich seines Konsums, seiner Schlachterei und dem Handel mit Pferdefleisch Spitzenstellung in Italien innehat.

Außerdem ist Pferdefleisch für die Einwohner Parmas gleichbedeutend mit Stolz und Tradition. Aber ebenso mit Innovation – immerhin kann es sowohl als Street Food als auch als Gourmet-Delikatesse serviert werden. Nichtsdestoweniger, trotz der wenigen Fette, des niedrigen Cholesterinanteils und des hohen Anteils von Protein und Eisen –  welche es ideal für Sportler und Diät-haltende Menschen machen –  bringt der Gedanke von Pferdefleisch als Nahrungsmittel noch Viele dazu, die Nase zu rümpfen. In vielen Kulturen ist der Verzehr von Pferdefleisch tatsächlich ein Tabu, genau wie das Essen von Katzen und Hunden. Für Spanier ist ein Pferd „mehr wert als jeder Reichtum“, in Arabien werden Pferde als „Geschenk Gottes an die Menschen“ betrachtet. Kurzum, in vielen Teilen der Erde sollte das Pferd frei rennen dürfen, statt auf einem gedeckten Tisch zu liegen. Es lässt sich diskutieren, ob der Verzehr von Pferdefleisch richtig oder falsch ist oder ob eine Ethik existiert, die vorgibt, welche Tiere geopfert werden dürfen und welche verschont werden sollen. Sicher ist jedoch, dass der Konsum von Pferdefleisch Teil von Parmas Geschichte ist und demnach auch Teil der Kultur der Stadt, nicht nur ihrer Geschichte.

 

Übersetzt von Elena Schulze Langenhorst  

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